San Francisco – Das überdimensionale Foto eines Models mit einem kunstvoll drapierten Kopftuch leuchtet von der eleganten Fassade des de-Young-Kunstmuseums in San Francisco. Daneben die Fakten: 1,8 Milliarden Muslime, 53 Designer, 1 globale Ausstellung.
Mit der Schau «Contemporary Muslim Fashions» betritt das experimentierfreudige Museum Neuland. Für die erste große Ausstellung über zeitgenössische muslimische Mode haben die Kuratoren Leihgaben aus aller Welt zusammengetragen, darunter Haute-Couture-Stücke, aber auch gewöhnliche Straßenkleidung.
Es ist der spektakuläre Abschied des gebürtigen Österreichers Max Hollein, der nach zwei Jahren als Museumsleiter in San Francisco in diesem Sommer an das New Yorker Metropolitan Museum wechselte. «Manche Leute glauben noch, es gibt gar keine Mode für muslimische Frauen», sagt der 49-Jährige am Rande seiner Stippvisite zur Eröffnung der Schau. Er wolle mit Unwissen und Missverständnissen aufräumen. «Dies ist derzeit eine der künstlerisch interessantesten Modeszenen überhaupt», erklärt Hollein.
Schwarze Wände und riesige Augen hinter einem Lochmuster-Ornament – wie hinter dem Sehgitter einer Burka versteckt – sind die Kulisse für bodenlange Gewänder und Überwürfe, modische Abwandlungen des traditionellen schwarzen «Abaya». Hier beginnt der Rundgang durch eine Schau mit über 80 Outfits auf Schaufensterpuppen, 40 Fotos und Social-Media-Exponaten.
Hijab-Kopftücher sind als Modeaccessoires zu sehen, werden aber auch von der Bloggerin und Rapperin Mona Haydar besungen. Das Video zu ihrem Song Hijabi läuft in der Ausstellung. Damit hatte die in Syrien geborene Sängerin 2017 die Kopfbedeckung zu Rap-Takten thematisiert.
Ein Kopftuchschleier gehört auch zu dem roten, reich bestickten Seiden-Outfit, das die in den USA geborene Stylistin Saba Ali in der pakistanischen Heimat ihrer Eltern für ihre Hochzeit anfertigen ließ. Die vierfache Mutter, mit schwarzem Kopftuch und rot geschminkten Lippen, hat die Kuratoren der Ausstellung mit beraten. «Hoffentlich lernen die Besucher, dass die muslimische Welt voller Vielfalt ist. Keiner zwingt uns dazu, uns zu verhüllen, doch ich sehe Schönheit in der Verschleierung», sagt die Amerikanerin.
«Modest Fashion» oder verhüllende, nicht körperbetonte Mode, kann extrem kreativ, elegant und bunt sein. Das zeigen die Designs von Dian Pelangi aus Indonesien. Die 27-jährige Instagrammerin hat ihre opulenten Gewänder schon auf Modeschauen in Paris und New York gezeigt. «Mit der rasch wachsenden Gruppe junger Muslime ist der Markt für ‚Modest Fashion‘ enorm angewachsen», sagt die britische Kunsthistorikerin Reina Lewis, die seit vielen Jahren muslimische Mode studiert. Etwa 44 Milliarden Dollar werden weltweit im Jahr für die verhüllende Mode ausgegeben, so die jüngsten Schätzungen.
Sportmarken sind auf den Trend eingestiegen, etwa mit Sportkopftüchern und Ganzkörper-Badeanzügen, ebenso die Haute Couture. Das Ende des «Contemporary Muslim Fashions»-Rundgangs krönen Designer-Stücke von Yves Saint Laurent, Karl Lagerfeld und Jean Paul Gaultier, einige von arabischen Herrscherhäusern in Auftrag gegeben.
Neben Kleidung werden auch Filme und Fotos gezeigt, darunter Aufnahmen der Fotografin Hengameh Golestan, die 1979 Proteste iranischer Frauen gegen die Einführung der Zwangsverschleierung dokumentierte.
«Es ist schon bewusst eine Ausstellung zu einem durchaus brisanten, komplexen Thema, auch um Burkiniverbot und Verschleierungsgebot», sagt Max Hollein. Natürlich fließt auch das von US-Präsident Donald Trump mit dem «Muslim Ban» geforderte Einreiseverbot für Menschen aus mehreren islamischen Ländern ein. Doch die Idee für die Schau sei ihm schon vor seinem Umzug in die USA und vor Trumps Wahl ins Weiße Haus gekommen, betont Hollein. «Das war auf Reisen nach Teheran und anderen Orten, wo ich überrascht war, wie modisch dort mit Kleidungsvorschriften umgegangen wurde.»
In San Francisco ist die Ausstellung bis Anfang Januar zu sehen, danach kommt sie ab April nach Frankfurt am Main ins Museum Angewandte Kunst. «Wir wollten sie unbedingt in Europa zeigen, insbesondere in einer Stadt mit einem starken Migrationshintergrund», sagt Hollein. Auch eine weitere Station im arabischen Raum wird angestrebt. «Ich bin mir sicher, dass die Schau mit ihren vielen Facetten an jedem Ort etwas anders verstanden wird.»
Fotocredits: Barbara Munker,Barbara Munker,Barbara Munker,Barbara Munker,Barbara Munker
(dpa)